frachtwerk hatte die Freude, die Vorpremiere von «Like a Complete Unknown» zu sehen – einem Doku-Drama über den jungen Bob Dylan. 3fach-Moderator Robin Fankhauser flitzte direkt nach seiner Sendung ins Bourbaki, um uns mit passenden Worten für den Film einzustimmen. Gelungen!
Das Publikum und die Zeitlosigkeit des Films
Das Publikum war durchmischt, mit einer Tendenz eher näher am Alter des Musikgenies Bob Dylan als an dem des Darstellers, Timothée Chalamet. Mir war im Vorfeld bereits klar –beziehungsweise hatte ich gehofft–, dass dieser Film generationsübergreifend ist und so zeitlos wie die Musik von Robert Zimmermann, besser bekannt als Bob Dylan.
Womöglich haben auch die acht Oscar-Nominierungen und der Besuch bei der Berlinale ihr Übriges getan und werden es sicherlich auch in den kommenden Wochen tun. Offiziell läuft der Film seit dem 27. Februar. Also, wenn ihr das lest, könnt ihr ihn jetzt im Kino sehen.
Timothée Chalamet als Bob Dylan
Timothée Chalamet, der in den letzten Jahren eine glänzende Karriere hingelegt hat (Dune, Call Me by Your Name …), mimt den medien-scheuen Pop-Gott.
Der Film beginnt im Jahr 1961. Wir sehen die Skyline von Minnesota, aus der ein 19-Jähriger nach New York trampen will, um sein Idol zu treffen. Dieses ist allerdings nicht im hippen Greenwich Village zu finden, sondern im Krankenhaus. Woody Guthrie, gespielt von Scott McNairy, ist in keiner guten Verfassung. Sogar Pete Seeger, herrlich verkörpert von Ed Norton (auch er ist für einen Oscar nominiert), kümmert sich um seinen Buddy Woody. So lernt Dylan gleich zwei seiner Helden auf einmal kennen, spielt ihnen einen Song vor und beeindruckt sie beide. Starkes Opening!
Der Weg zum Ruhm
Bobby bleibt daraufhin erstmal bei den Seegers. Bei denen mag es zwar auch an Geld fehlen, aber: «Now we got water like a Swiss Hotel», verkündet Seeger, was das Publikum zum Lachen bringt.
Nun ist er da, der junge Neunzehnjährige mit dem Traum, ein Rockstar zu werden. Erste Gigs, die Bekanntschaft mit Joan Baez, erste Aufnahmen und das erste Album. Auch die erste Liebe? Viele erste Male dürfen wir erleben – und spätestens als Chalamet mit der ikonischen Sonnenbrille und Wildlederjacke posiert, ist die Ähnlichkeit zum Original fast 100-prozentig.
Bob Dylan und der Film
Es sei angemerkt, dass Dylan selbst mit dem Film nichts zu tun haben wollte – und es ihn schlichtweg nicht interessierte. Wen interessiert es auch, wenn man zu Lebzeiten noch beginnt, Filme über einen zu machen? Jemand, der in Montreux 365 Franken für sein Konzertticket verlangt oder den Literaturnobelpreis erhält, aber nicht entgegennimmt … Nein, ich möchte hier nicht gehässig sein. Aber Fakten sind eben Fakten. Stören tat es Chalamet anscheinend nicht, wie er in einem Interview auf der Berlinale betonte. Es gäbe so viele Aufzeichnungen und Erzählungen, das reiche ihm schon. Zumal der 30-jährige ja auch noch Gitarre und Blues-Harp spielen lernen musste.
Chronologische Erzählweise und die Schattenseiten des Ruhms
Der Film ist chronologisch aufgebaut. Die Szenerie und die Lässigkeit der 1960er-Jahre schwingen immer mit. Die Kostüme sitzen, der Zeitgeist wird erfasst und alles wirkt cool. Aber natürlich gibt es auch die Schattenseiten des Ruhms. Da gibt es auch mal auf die Fresse, wenn man nicht aufpasst. Und eine der lässigsten Kino-Szenen, die ich seit langem gesehen habe, dürft ihr ebenfalls miterleben. Diese Szene flammt später im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal auf – Bob-Dylan-Coolness!
Das Liebesverhältnis und die Beziehungen zu anderen Musiker:innen
Natürlich gibt es auch ein Liebesverhältnis. Doch wird dieses aufgrund der Beziehung zu Sängerin Joan Baez unterbrochen oder unterbunden? Was passiert beim Newport Folk Festival? Und was macht eigentlich die Brieffreundschaft mit Johnny Cash?
Antworten darauf findet ihr, wenn ihr diesen sehenswerten, 142-minütigen Film anschaut.
Die grossartige Darbietung von Monica Barbaro
Was mich am meisten beeindruckt hat, war das Spiel zwischen Joan Baez und Bob Dylan – sowohl inhaltlich als auch darstellerisch. Monica Barbaro hat mich mehr als überzeugt. So cool wie sie war (und in diesem Film waren viele coole Menschen), war wirklich niemand in «Like a Complete Unknown». Die Spannung zwischen den beiden ist ständig spürbar. Einfach magisch. Wann taucht sie wieder auf und was passiert dann? Ganz gross inszeniert!
Wer gewinnt nun die goldene Statue?
Ich liebe ja dieses Geplänkel, wer nun welchen Preis bekommt. Und bei einem Film, der mit acht Oscars nominiert ist, haue ich auch meine Theorie raus.
Timothée Chalamet ist meiner Meinung nach eventuell noch zu jung, könnte es aber gut schaffen. Womöglich will man in Hollywood auch ein politisch-ironisches Zeichen setzen, und Sebastian Stan als Donald Trump macht das Rennen. Schwierig, schwierig. Ed Norton spielt es super und hat etwas Grossväterliches an sich, aber den Goldjungen hätte er meiner Meinung nach schon vor zehn Jahren für «Birdman» bekommen sollen. Monica Barbaro wünsche ich es wirklich sehr, weil sie mich einfach umgehauen hat. Ansonsten sehe ich gute Chancen für den Soundtrack. Zwei Oscars bis maximal vier – das wäre auch eine fette Beute. In der Nacht von Sonntag, dem 2. auf den 3. März, werden wir dann schlauer sein.
Geht ins Kino!
Geht ins Kino und macht euch selbst ein Bild. Mir hallt «Like a Rolling Stone» noch beim Schreiben dieser Zeilen nach. Die Lieder hat Chalamet übrigens alle im Dylan-Stil eingesungen und gespielt. Vielleicht bekommt er doch noch einen Oscar … ist schon gut, ich höre ja auf damit.