«Wir alle suchen ab und zu den Reiz des Neuen»

Die Orangerie in Wängi (TG) ist der flächenmässig grösste Swinger- und Lifestyle Club der Schweiz. Verena Hug hat den Club 2006 mit ihrem Mann gegründet und hat es geschafft, damit weit über die Grenzen des Thurgaus bekannt zu werden. Im Interview mit frachtwerk plaudert die Clubbesitzerin aus dem Nähkästchen und spricht über den Lifestyle der Swinger:innen und ihre persönlichen Erfahrungen im Club.

Autor:in:
Layla Hollenstein
Titelbild:
z.V.g.

Swingende suchen sexuelle Kontakte ausserhalb ihrer Beziehung. Clubs wie Verenas «Orangerie le club» sind Orte, wo sich Gleichgesinnte treffen und ihre Wünsche ausleben können. Neben privaten und nicht privaten Swingerparties sind Swingerclubs die gängigsten Treffpunkte der Szene. Verena nennt ihren Club auch Lifestyle-Club. Diese Haltung und den Anspruch an ein Rundumerlebnis ist im gesamten Club zu spüren.

Zu Beginn des Treffens werde ich herzlich am Eingang empfangen, wo ich meine Jacke deponieren kann. Auf einer kleinen Tour sehe ich die Garderoben, Wellnessräume und Pärchenzimmer. Überall gibt es Nischen und Räume, wo die Gäste ihre sexuellen Vorlieben ausleben können. Und das ist nicht alles: Es gibt auch eine stilvolle Lounge mit Bar und ein à la carte Restaurant, wo feinste Speisen angeboten werden. Tatsächlich ist der Satz, der mit der Orangerie häufig in einem Zug fällt: «Und esse chan mer det imfall au mega guet».

Ausbrechen aus dem Alltag

«Viele unserer Gäste bezeichnen den Club als Kurzurlaub», sagt Verena Hug. Es geht darum, sexuelle Bedürfnisse auszuleben. Da kann es schon mal sein, dass man Sex mit Menschen hat, deren Namen man nie erfahren wird. Man geniesst den Abend oder Nachmittag in vollen Zügen, lässt danach aber das Geschehene im Club oder an der Party zurück und geht seinem gewohnten Leben nach. Die Personen ausserhalb der Hauptbeziehung werden nicht Teil des Alltags. Es geht also nicht um Polyamorie, sondern um den körperlichen Kontakt. Während polyamore Beziehungen viel gemeinsame Koordination und Kompromisse fordert, schätzt Verena an ihrem Lebensstil genaudas Gegenteil: «Wenn ich ausgehe, geht es nur um mich selbst. Beim Swingen darfst du genau das tun, was du willst, denn in erster Linie gehör ich nur mir selbst. Es ist sehr bestärkend, aber es braucht auch etwas Mut, seine Bedürfnisse in den Vordergrund zu stellen.»

Dennoch: Auch das gemeinsame Swingen als Paar erfordert viel Vertrauen und Kommunikation. Es brauche Verständnis und gegenseitige Akzeptanz, sagt Verena Hug. «Man darf sich nur so viel rausnehmen, wie man auch bereit ist, seinem Partner zuzugestehen. Es braucht sehr viel Toleranz, Swinger:in zu sein.» In der Orangierie können sich die Besucher:innen bunte Bänder ums Handgelenk binden. Je nach Farbe sagt es aus: «Ich möchte angesprochen werden, ich möchte nicht angesprochen werden, offen für Bi...» und so weiter.

Und wie fühlt es sich nun an, zum ersten Mal in einem Swingerclub zu sein? Eine Orangierie-Besucherin, nennen wir sie Vanessa, erzählt: «Als ich die Orangerie betrat, war ich extrem aufgeregt. Ich schaute mich in der Lounge um und nahm sofort eine entspannte Atmosphäre war. Als ich einen Blick auf die Galerie oberhalb der Bar warf, sah ich mehrere Menschen beim Gruppensex. Bereits der Gedanke daran, ein Pärchen beim Sex zu sehen, hatte mich nervös gemacht. Dieses Bild überforderte mich kurz. Aber es machte mich neugierig. Also gönnte ich mir ein alkoholisches Getränk und ging auf die Galerie. Mehrere Menschen schauten interessiert zu, wie etwa acht Personen gleichzeitig miteinander beschäftigt waren. Schnell entspannte ich mich und fühlte mich nicht mehr komisch dabei, dort zuzuschauen. Wer auf die Galerie geht, möchte gesehen werden. Daher war das völlig okay. Ich selbst ging an diesem Abend nicht so weit. Ich schaute hauptsächlich zu und liess meinen Mann ran. Mehr wagte ich zu dem Zeitpunkt nicht. Was mir positiv aufgefallen ist: Ich tauschte mit einigen Männern Blicke aus - dennoch fühlte ich mich in keinem einzigen Moment bedrängt oder hätte jemanden abweisen müssen. Es ist eine sehr respektvolle Atmosphäre.»

Das stilvolle Restaurant in der Orangerie. (Bild: z.V.g.)

Themen-Abende für alle Bedürfnisse

Genau aus diesem Grund hat sie in der Orangerie sogenannte Themen-Abende eingeführt. An jedem Abend ist klar definiert, welcher Dresscode gefordert und welche Zielgruppe angesprochen ist. So können sich Paare aussuchen, was zu ihnen passt und wie sie ihr ganz persönliches Swingerleben ausführen möchten. Es gibt einen Themen-Abend für beinahe jeden Geschmack. Zum Beispiel findet jeden ersten Sonntag im Montag ein «Beginners-Event» statt. Ganz ungezwungen können Neulinge somit in den Swingerlifestyle hineinschnuppern, während ihnen alles Nötige erklärt wird. Auf meine Frage nach der Altersgruppe dieser Beginner-Events antwortet Verena: «Natürlich sind viele Menschen in ihren 40ern oder auch etwas darüber dabei. Sie wollen herausfinden, was es neben ihrer Beziehung sonst noch alles gibt. Allerdings sehen wir auch immer mehr junge Menschen bei den Beginner-Veranstaltungen und im Club. Die Meisten in ihren 30ern. Manchmal aber sogar noch jünger.»

Alles kann, nichts muss

Was sicherlich viele der Neulinge und auch die erfahrenen Gäste anspricht, sind die klaren Verhältnisse. Ein Vorteil des Swingerclubs ist, dass man genau weiss, worum es geht, wenn man sich für einen Besuch entschliesst. Dennoch geschieht alles in einem geschützten Rahmen. Man kann getrost sagen, wenn man nicht in der Stimmung ist, ohne Angst vor einer negativen Reaktion haben zu müssen. Alles kann, nichts muss.

Verena sieht daher das Swingen auch als Vorteil für die weibliche Emanzipation: «Vielen Frauen wurde schon früh beigebracht, dass Sex etwas Schambehaftetes ist. Mit verschiedenen Männern ins Bett, das macht man einfach nicht.» Sie will Frauen ermutigen, zu ihrer eigenen Sexualität zu stehen und sich auszuleben. Für sie ist die eigene Sexualität ein Abenteuer und hängt mehr mit der Suche nach Neuem als mit den grossen Gefühlen zusammen. «Sex hat nicht zwingend was mit Liebe zu tun. Jeder hatte mal jemanden, den man unglaublich anziehend fand und wenn es dann geschehen ist, sind die Gefühle ganz schnell verpufft. Ich glaube wir Menschen sind ständig auf der Suche nach diesem Anfangsgefühl und dem Unbekannten.»

Genau das will die Orangerie bieten. Etwas geheimnisvoll, etwas spannend, etwas neu. Verena meint schmunzelnd: «Es gibt so viele Vorlieben, wie es Menschen gibt. Und bei uns in der Orangerie kann man genau diese Vorlieben ausleben und das Anfangs-Kribbeln geniessen.»

Verlosung

Infobox

Die Orangerie ist immer Freitag bis Sonntag geöffnet und bietet ein vielfältiges Programm. Infos gibts auf der Website der Orangerie.