Die majestätischen Gletscher der Erde schmelzen – ein unwiderruflicher Prozess, der Jahrtausende alte Eislandschaften in kürzester Zeit verschwinden lässt. Die Sonderausstellung «Schnee + Eis – gefrorene Naturwunder» im Gletschergarten Luzern beleuchtet genau diese dramatische Entwicklung. Die renommierten Glaziologen Jürg Alean und Michael Hambrey zeigen in eindrucksvollen Bildern und wissenschaftlichen Analysen die Schönheit, aber auch die Bedrohung der eisigen Giganten. Doch die Frage, die im Raum steht, lautet: Wie viel Verantwortung tragen wir selbst für ihr Verschwinden? Ein Blick auf das Gletschersterben und unsere eigene «Culpa» – denn unser Schuldbekenntnis allein reicht nicht, es braucht auch Taten.
Die Ausstellung: Ein Abschied auf Raten
Der Gletschergarten Luzern nimmt Besucher:innen mit auf eine visuelle und emotionale Reise durch die Welt des Eises. Jürg Alean und Michael Hambrey haben jahrzehntelang die Gletscher dieser Erde erforscht. Ihre Bilder zeigen die Ästhetik gefrorener Landschaften – zerklüftete Eisbrüche, leuchtend blaue Spalten und die scheinbar endlose Weite der Eiskappen. Doch das Schöne hat eine Schattenseite: Der Rückgang der Gletscher ist unübersehbar und alarmierend. Ihre Arbeit dokumentiert nicht nur die Veränderungen, sondern fungiert auch als Mahnung an eine Gesellschaft, die mit jedem Jahr mehr Eis unwiederbringlich verliert. Doch genügt es, ein Schuldeingeständnis zu flüstern, während wir weiter in einer Welt des Überflusses leben?
Neben den beeindruckenden Bildern gibt es in der Ausstellung interaktive Elemente, die Besucher:innen direkt mit den Folgen des Gletscherschwunds konfrontieren. Simulationen zeigen, wie verschiedene Schweizer Gletscher in den kommenden Jahrzehnten verschwinden werden, wenn die globale Erwärmung ungebremst voranschreitet. Ein besonders bewegender Moment für viele Gäste ist das Zeitraffer-Video des Rhonegletschers, das sein dramatisches Schrumpfen über die letzten Jahrzehnte dokumentiert.
Die Glaziologen: Forscher zwischen Wissenschaft und Mahnung
Jürg Alean und Michael Hambrey sind nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Geschichtenerzähler. Alean, ein Schweizer Geograph und Glaziologe, hat zahlreiche Fachpublikationen veröffentlicht und unzählige Expeditionen zu den Gletschern dieser Welt unternommen. Hambrey, ein britischer Glaziologe, ist spezialisiert auf die Erforschung der Struktur und Dynamik von Gletschern. Beide eint die Leidenschaft für die Erhaltung dieser einzigartigen Landschaften – und die wachsende Frustration über die mangelnde Bereitschaft der Menschheit, aus den warnenden Zeichen der Natur zu lernen.
Reaktionen der Besuchenden: Betroffenheit und Nachdenklichkeit
«Es ist erschreckend zu sehen, wie schnell sich die Gletscher zurückziehen», sagt eine Besucherin. «Man weiss ja, dass der Klimawandel real ist, aber diese Bilder machen es unglaublich greifbar.» Ein anderer Gast ergänzt: «Ich habe mich nie wirklich für das Thema interessiert, aber nach diesem Besuch werde ich definitiv mein Verhalten überdenken.»
Die Ausstellung endet mit einer interaktiven Wand, an der Besucher:innen ihre Gedanken hinterlassen können. Viele schreiben über ihre Gefühle der Schuld und Hilflosigkeit, aber auch über ihren Wunsch, etwas zu verändern. «Der Mensch trägt die Schuld», steht dort oft – aber auch die Hoffnung, dass es nicht zu spät ist, wird thematisiert. Doch was nützt ein Schuldeingeständnis ohne Konsequenzen zu ziehen? Es ist an uns, die Verantwortung nicht nur zu erkennen, sondern auch zu tragen.
Gletschersterben: Ein menschengemachtes Phänomen
Die Wissenschaft ist sich einig: Der Klimawandel ist die Hauptursache für das weltweite Gletschersterben. Seit der industriellen Revolution hat der Mensch durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe Unmengen an CO₂ in die Atmosphäre entlassen. Dies führt zu steigenden Temperaturen, die das empfindliche Gleichgewicht der Gletscher stören. Laut aktuellen Studien der Weltwetterorganisation (WMO) sind viele Gletscher nicht mehr zu retten. Selbst, wenn wir heute alle Emissionen stoppen würden, würden sie weiter schrumpfen – das Ergebnis unseres rücksichtslosen Umgangs mit der Natur.
«Mea culpa, mea maxima culpa» – meine Schuld, meine grösste Schuld. Diese lateinische Wendung steht sinnbildlich für unser Verhältnis zum Klimawandel. Wir wissen, dass unser Handeln Folgen hat, und dennoch tun wir nicht genug, um es zu ändern. Die Ausstellung im Gletschergarten Luzern erinnert uns daran, dass das Gletschersterben nicht bloss eine abstrakte Umweltdebatte ist, sondern eine direkte Konsequenz unseres Lebensstils. Jede Flugreise, jedes Auto mit Verbrennungsmotor, jede unnötige Energieverschwendung trägt dazu bei. Aber was ist eine Entschuldigung wert, wenn wir es nicht in Taten umwandeln?
Fazit: Ein Appell an die Zukunft
Die Gletscher sind nicht nur Naturwunder, sondern auch Indikatoren für den Zustand unseres Planeten. Ihr Schmelzen ist eine Warnung, die wir nicht ignorieren dürfen. Die Ausstellung von Alean und Hambrey ist nicht nur eine Hommage an das Eis, sondern auch ein dringender Weckruf. Das Schuldeingeständnis muss zur Verantwortung werden. Nur wenn wir handeln, können wir wenigstens verhindern, dass kommende Generationen uns eines Tages denselben Vorwurf machen: Dass wir tatenlos zugesehen haben. Denn sonst bleibt «Mea Culpa» nichts weiter als eine Phrase im Angesicht eines verschwundenen Wunders.