Die Spielerin - Faszinierend und erschreckend

„Die Spielerin“ von Isabelle Lehn ist ein fesselndes, facettenreiches Buch, das die Geschichte einer jungen Frau erzählt, die sich in der Finanzwelt von Zürich behaupten muss. Mit einer präzisen und eindrucksvollen Sprache entführt Lehn ihre Leser in die Welt der Macht, des Spiels und der Manipulation.

Autor:in:
Daniel Klein
Titelbild:
Jasmin Zwick
Hinweise:

Der Einstieg: Eine Welt voller Geheimnisse

Der Roman beginnt mit einer subtilen, aber packenden Darstellung des Umzugs der Protagonistin, die nur als «A.» bekannt ist, im Jahr 1991 nach Zürich. A., die mit einer Mischung aus Neugier und Unsicherheit in diese neue Welt eintaucht, fühlt sich schnell von den strengen, oft kafkaesken Strukturen der Finanzbranche überwältigt. Es ist nicht nur ein Wechsel des geografischen Ortes, sondern auch ein Wechsel in eine völlig andere Welt, in der Machtspiele, Wettbewerb und ein beinahe unmenschlicher Leistungsdruck herrschen.

Lehn schafft es, ihre Leser:innen sofort zu fesseln, indem sie uns Stück für Stück neue Charaktere vorstellt, die alle mit A. auf unterschiedliche Weise in Verbindung stehen. Diese Figuren sind komplex und ambivalent, was den Roman zusätzlich spannend macht. Der Erzählstil ist dabei von einer gewissen Kühle und Präzision geprägt, was die Atmosphäre der Finanzwelt noch verstärkt.

Sprache und Stil: Ein Blick hinter die Fassade

Was «Die Spielerin» besonders auszeichnet, ist die meisterhafte Sprache, die Isabelle Lehn verwendet. Sie schafft es, sowohl die äusseren Geschehnisse als auch die inneren Konflikte der Charaktere auf eine Weise zu schildern, die einen immer wieder in den Bann zieht. Ein Beispiel für diese präzise und gleichzeitig elegante Sprache ist der Satz: «Es war das Diminutiv, für das sie ihn hasste.» Hier spielt Lehn mit der Bedeutung von Sprache und deren Auswirkungen auf zwischenmenschliche Beziehungen. Diese kleine, aber aussagekräftige Wendung öffnet den Blick auf die subtilen Mechanismen, die im gesamten Roman eine Rolle spielen: die Macht der Worte und deren Einfluss auf die Wahrnehmung der Realität.

Der Roman spielt immer wieder mit der Unzuverlässigkeit der Erzählung, was die Lesenden auf subtile Weise dazu einlädt, die Wahrhaftigkeit der Darstellung in Frage zu stellen. A. führt uns immer wieder aufs Glatteis, indem sie uns nicht nur als unzuverlässige Erzählerin präsentiert wird, sondern auch durch ihre eigenen Entscheidungen und moralischen Verstrickungen die Grenze zwischen Gut und Böse verschwimmen lässt.

Wendepunkt und Mafia-Kollaboration

Ein bedeutender Wendepunkt in der Geschichte tritt auf, als A. beginnt, in die dunklen und gefährlichen Machenschaften der Mafia verwickelt zu werden. Diese Wendung sorgt für eine enorme Spannung und ändert die Richtung des Romans. A.s Zusammenarbeit mit der Mafia ist nicht nur ein Test für ihre moralischen Überzeugungen, sondern auch ein Schlüssel zu ihrem Überleben in der kalten, brutalen Welt der Finanzindustrie.

Dieser Wendepunkt ist gekonnt in die Erzählung eingebaut und zeigt, wie die Machtstrukturen der Finanzwelt und die kriminellen Netzwerke miteinander verwoben sind. A. selbst wird immer mehr zu einer Spielerin in einem Spiel, das sie nicht vollständig versteht – oder das sie vielleicht bewusst ignoriert, um ihre eigenen Ziele zu erreichen.

Die Protagonistin A.: Ein schwieriges Verhältnis zum Selbst

A. ist eine komplexe und vielschichtige Figur. Ihre Entwicklung von einer unsicheren jungen Frau hin zu einer machtbewussten und risikofreudigen Spielerin in der Finanzwelt wird durch ihre inneren Konflikte und moralischen Dilemmata meisterhaft eingefangen. Dabei bleibt sie ein Rätsel, das die Lesenden sowohl fasziniert als auch irritiert. A. führt uns bewusst immer wieder aufs Glatteis, indem sie uns ihre Gedanken und Entscheidungen nur schrittweise offenbart. Diese Unberechenbarkeit macht sie zu einer faszinierenden und zugleich frustrierenden Protagonistin, deren Entscheidungen oft schwer nachvollziehbar sind, aber dennoch eine gewisse Logik in der chaotischen Welt, in der sie sich bewegt, aufweisen.

Das Ende: Ein Spiel ohne Gewinner:innen?

Das Ende von «Die Spielerin» bleibt offen und lässt Raum für Spekulationen. A. hat sich tief in das Spiel der Macht verstrickt, und es bleibt unklar, ob sie sich jemals von diesem Spiel befreien kann. Die Fragen, die der Roman aufwirft, sind nicht nur für A. relevant, sondern auch für die Leser:innen selbst: Wie weit ist man bereit zu gehen, um Erfolg zu haben? Welche Rolle spielt Moral in einer Welt, in der das Spiel selbst wichtiger ist als der eigentliche Zweck?

Der Schluss hinterlässt eine Mischung aus Erleichterung und Unruhe. Die Frage nach der wahren Natur von A.s Handlungen bleibt offen, und auch die Konsequenzen ihrer Entscheidungen sind unklar. Es ist ein starkes Ende, das den Roman noch lange nach dem Lesen nachhallen lässt.

Fazit

«Die Spielerin» von Isabelle Lehn ist ein spannender, vielschichtiger und sprachlich brillanter Roman, der nicht nur die komplexen Dynamiken der Finanzwelt, sondern auch die moralischen und emotionalen Herausforderungen einer jungen Frau thematisiert, die sich in dieser Welt behaupten muss. Lehn gelingt es, uns in eine Welt zu entführen, die sowohl faszinierend als auch erschreckend ist – und sie zeigt uns, wie leicht es ist, sich in einem Spiel zu verlieren, bei dem es keine klaren Regeln gibt.

Zum Schluss möchte ich mich beim S. Fischer Verlag bedanken, der dieses beeindruckende Werk veröffentlicht hat. Isabelle Lehn wird Ende Februar 2025 in Zürich und Winterthur live zu sehen sein – eine Gelegenheit, ihre Gedanken und Einblicke aus erster Hand zu erleben. Genaueres erfahrt Ihr unter diesem Link. Bleibt am Lesen!

Verlosung

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