Leila Šurković: «Für mich heisst Erfolg etwas ganz anderes»

Leila gehört zu den verheissungsvollsten Newcomer:innen der Schweizer Musikszene. Sie feiert bereits internationalen Erfolg. Doch wie geht man mit wachsender Bekanntheit um? Gibt es heute noch eine nachhaltige Art, erfolgreich zu sein? Und welchen Wert hat Erfolg für uns? Ein Gespräch über Fallstricke und den grossen Kairos.

Autor:in:
Jan Rucki
Titelbild:
Simon Habegger
Hinweise:

Der Weg zum Erfolg gilt oft als lang und steinig – so zumindest das Bild, das uns das Lehrbuch vermittelt. Doch in Zeiten von TikTok und der sofortigen Verbreitung von Inhalten im Internet erleben viele Künstler:innen einen nahezu blitzartigen Aufstieg. Sie werden über Nacht zu Stars.

Doch egal ob schneller oder stetig steigender Erfolg: Hinter ihm steckt oft viel harte Arbeit. Wie geht man mit wachsendem Ruhm um? Was verändert sich im eigenen Leben, wenn der Erfolg plötzlich da ist? Und was bedeutet Erfolg eigentlich für eine:n Musiker:in? Wir haben uns mit der Schweizer Musikerin Leila Šurković getroffen, einer aufstrebenden Grösse in der Popmusik, die auch bereits internationale Erfolge in Deutschland feiern konnte.

Im Gespräch wird schnell deutlich, dass für Leila das Thema Energiemanagement eine zentrale Rolle spielt. Eine charismatische, starke und facettenreiche Persönlichkeit, die uns im Gespräch einen ehrlichen Einblick in ihre Welt gewährt.

frachtwerk: Würde man all die Shows und Orte aufzählen, an denen du in letzter Zeit gespielt hast, entstünde eine sehr lange Liste. Welche Emotionen kommen in dir hoch, wenn du dir deine jüngsten Erfolge vor Augen führst?
 
Leila: Es ist etwas so Schönes. Und ich liebe es, live zu spielen. Natürlich lernt man das aber auch von einer anderen Seite her kennen. Denn es gab dieses Jahr viele Momente, in denen es mir nicht gut ging. Es war häufig sehr stressig. Nach den Konzerten fühlte ich mich aber immer erfüllt und es ist eine unglaublich spannende Erfahrung, in einem Jahr so viel zu erleben.
 
frachtwerk: Hat dich der Druck von aussen gestresst, der mit schnell wachsendem Erfolg steigt?
 
Leila: Tatsächlich ist es weniger der Druck von aussen. Natürlich hatte ich damit schon auch zu kämpfen. Es ist aber viel mehr der Druck, den ich mir selbst mache. Ich habe diesen Sommer eine EP aufgenommen, viele Festivals gespielt und wollte nebenbei auch noch mein Privatleben geniessen. Ich bin jemand, die dann sehr schnell die Arbeit über die eigenen Bedürfnisse stellt. So hatte ich selten Zeit für mich oder meine Freund:innen. Ich fühlte mich ausgebrannt, und doch konnte ich nicht loslassen von der Musik und von der Arbeit.
 
frachtwerk: Kannst du die Balance mittlerweile besser halten?
 
Leila: Ja, das gelingt mir mittlerweile besser. «Leila» ist nunmal mein erstes eigenes grosses Projekt dieses Ausmasses und dabei lerne ich sehr viel. Dazu gehört, dass ich nicht zu viele Projekte auf einmal mehr starten möchte und auch auf kleine Details wie beispielsweise das Schlafen in einem Einzelzimmer auf Tour besser achten möchte. Auf Tour alleine zu schlafen macht schon sehr viel aus (schmunzelt). Rückzug und «Me-Time» sind immens wichtig. Ansonsten geht es mir nicht mehr gut. Und damit ist niemandem geholfen.
 
frachtwerk: Was machst du in Momenten, in denen du «liefern» musst, aber nicht kannst?

Leila: Es gab einen Vorfall, der wirklich schwierig war. Ich war so erschöpft, dass ich nur noch geweint habe. Doch wir mussten einen Soundcheck machen, während das Publikum schon vor der Bühne stand. In solchen Momenten bin ich so unglaublich dankbar, dass ich eine gute Crew um mich herum habe, die für mich alles aufbaute, die Gitarre stimmte, damit ich mich zurückziehen  und Musikhören konnte, um herunterzufahren. Dass ich das kann und darf, ist ein grosses Privileg.
 
frachtwerk: Und wenn du dann auf der Bühne stehst, sind diese negativen Gefühle alle weg?

Leila: Sobald der erste Ton einer Show erklingt, bin ich in einer anderen Welt. Ich liebe es, live zu spielen. Ich kann in solchen Momenten alle negativen Gedanken abstellen, es ist wie ein Kick. Ich liebe es über alles.

Auch Leila Šurković hatte schon mit Druck von aussen zu kämpfen. (Bild: Simon Habegger)

frachtwerk: Du stehst mit jedem Tag, der vergeht, noch mehr in der Öffentlichkeit. Da gibt es viele positive, aber sicher auch kritische Resonanz von aussen. Wie gehst du damit um?
 
Leila: Gerade in den Medien und auf Social Media sind häufig die Leute am lautesten, die keine Ahnung von Musik haben. Die sind mir nicht wichtig. Ich probiere sie zu ignorieren.
 
frachtwerk: Und das schaffst du so einfach?
 
Leila: Nein, grundsätzlich bin ich sehr schlecht darin (lacht). Ich kann es aber mittlerweile mit mehr Humor nehmen, wenn es pauschalisierte oder oberflächliche Kommentare sind. Die Meinungen meiner Leute, zu denen ich hinaufschaue, die meine Musik auch etwas angeht, waren mir immer sehr wichtig. Auch wenn es manchmal wehtut, zu hören, dass die Show noch nicht so gut war oder so, bin ich froh um konstruktive Kritik. Ich kann daran wachsen.
 
frachtwerk: Also ist Kritik auch ein wichtiges Mittel zum Erfolg für dich?

 
Leila: Ich werde wohl selbst nie an einen Punkt kommen, an dem ich zufrieden sein kann mit meinem Produkt. So ist Kritik von aussen manchmal auch sehr schwer zu ertragen. Sie hilft aber häufig und ich nehme sie mir gerne zu Herzen, wenn ich mich darin verbessern kann. Und es tut natürlich auch gut, wenn mal jemand sagt, dass das, was ich mache, auch wirklich gut ist. Das motiviert ebenso.
 
frachtwerk: Wer sind diese Leute, die dich auf deinem Weg zu diesem Erfolg begleitet haben?
 
Leila: Eine wichtige Person am Anfang meiner Erfahrungen war mein Musiklehrer. Wir hatten eine Schüler:innenband, in der ich Schlagzeug spielte. Ich habe mit ihm später meinen ersten Song aufgenommen und er hat mir immer die Sicherheit gegeben, dass ich ein gutes Gefühl hatte bei dem, was ich mache. Er hat mich sehr bestärkt.
 
Wenn er heute an eine Show von mir kommt, öffnet es mir jedes Mal das Herz. Zu wichtigen Personen gehört auch Mario Batkovic, der beste Freund meines Vaters, der ebenfalls Musiker ist. Ganz generell sind Menschen wichtig für mich, die sich mit Musik auskennen und mir Resonanz geben. Dazu gehören auch meine Crew und meine Band, die ehrlich und gut zu mir sind. Zudem besitzen sie auch viele Fähigkeiten, die ich nicht habe, wie beispielsweise das Mischen von Ton. Auch mein Manager ist wichtig für mich, weil er mehr Konzerte gesehen hat als wir beide zusammen. Wenn er mir sagt, dass er etwas gut findet, bedeutet das für mich wirklich viel.
 
frachtwerk: Hast du dich als junge, neuere Person im Musikbusiness aber auch schon nicht genügend ernst genommen gefühlt?

 
Leila: Gerade wenn ich Dinge neu kennenlerne und nicht weiss, wie sie funktionieren, habe ich teilweise lieber geschwiegen als gefragt. Daraus entstanden ist, dass Leute, mit denen ich zusammenarbeite, aus Goodwill ziemlich schnell ziemlich viel machten und ich am Ende nicht mehr hinter dem Produkt stehen konnte. Da ich diese Leute aber liebe und mich gut mit ihnen verstehe, konnten wir darüber sprechen und ich konnte ihnen aufzeigen, weshalb der Song für mich jetzt nicht mehr das bedeutet, was er sollte, als ich ihn geschrieben habe.
 
frachtwerk: Wie sieht deine Strategie aus, damit du noch möglichst lange Energie und Lust auf das Projekt «Leila» hast?
 
Leila: Die Leidenschaft wurde natürlich schnell mal zum Job – wenn auch bewusst. Viele Leute sind jetzt abhängig von mir, da ja damit auch alle Geld verdienen. Das fährt ein. Nicht zuletzt aufgrund solcher Gedanken muss ich mir nun wieder aktiv Zeit nehmen, wie früher im Keller meiner Eltern Songs zu schreiben und daran zu tüfteln.
 
Ich bin ein Fernweh-Kid und fliege für eine Zeit nach New York. Ich liebe Städte, in denen man sich verlieren kann, fernab vom eigenen Alltag. Sie zeigen einem, dass sich nicht alles um einen selbst dreht. Dieses Gefühl bekommt man zu schnell. Ich brauche diese Abwechslung vom Fokus auf meine Arbeit hier, das Touren, das Organisatorische und auf der anderen Seite das Aussen, das Kreative, das Befassen mit dem Schreiben von Songs. Das tut mir gut.
 
frachtwerk: Du brauchst eine geografische Distanz, um aus dem Hamsterrad auszubrechen?
 
Leila: Ja, das tut sicher mal gut. Und ich habe das Gefühl, ich könnte in dieser Stadt überflutet werden mit neuen Ideen! Nur schon mit den vielen Konzerten, die ich da besuchen werde, sie werden meinen Horizont erweitern.
 
frachtwerk: Wenn wir es schon von Konstanz und Veränderung haben: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit im Alltag? Was möchtest du in der Gesellschaft bewegen?
 
Leila: Ich glaube grundsätzlich, dass plötzlicher, grosser Erfolg nicht nachhaltig ist. Da gibt es natürlich immer Ausnahmen und Personen, die diese Situation richtig nutzen. Aber mein «Key» ist es, alles langsam anzugehen. Eine stabile Fanbase aufbauen und diese pflegen. Und nicht alles so schnell und so gross wie möglich umsetzen.
 
Ich schreibe manchmal Songs, bei denen ich es schön fände, wenn es bereits mehr von ihrer Art gäbe. Es sind häufig Themen, die mich interessieren, zu denen ich kaum passende Tracks finde, die es bereits gibt. Ich schreibe viel über Dinge, die mich im Alltag beschäftigen und die ich mit mir trage. Ziel von mir ist es, dass die Menschen, die meine Musik hören, Teil von den Gedanken werden und dass ich nicht mehr alleine bin mit ihnen. Sobald ich etwas herausgebe, gehört es ja sozusagen der Allgemeinheit.
 
frachtwerk: Was heisst es denn für dich überhaupt Erfolg zu haben?
 
Leila: Leute sehen von aussen ein Festival-Line-up. Oder sie sehen drei Millionen Streams auf «Gun to my head». Dadurch haben viele das Gefühl, dass ich damit viel Geld mache. Ich verstehe, dass das Bild so glorifiziert wird. Es ist aber ganz anders. Ich kann noch nicht von der Musik leben. Ich glaube, viele können sich das vielleicht gar nicht vorstellen und das ist auch okay so! Ich sehe Erfolg aber noch aus einer ganz anderen Perspektive.
 
Für mich ist Erfolg nämlich vor allem, wenn Leute an meinen Shows weinen. Oder lachen und sich küssen. Dann merke ich, dass ich etwas auslösen kann. Dann können auch nur zwanzig Menschen im Publikum stehen und ich bin überglücklich. Was ich aber schon auch noch klar sagen muss: Ein sehr einfach messbares Ziel ist schon, dass ich von meiner Musik leben kann. Derzeit werde ich noch von meinen Eltern unterstützt, was ich unendlich schätze.
 
frachtwerk: Also würdest du sagen, das, was in der Musikbranche als Erfolg gilt, ist nicht immer das, was Erfolg für eine:n Musiker:in bedeutet?
 
Leila: Ja, ganz genau! Natürlich würde mein früheres Ich jetzt auch sagen, dass es krass ist, wo ich grade stehe. Aber in fünf Jahren ist es wieder so und das geht immer so weiter. Zuerst sind zehntausend Streams krass, bis die Zahlen steigen und steigen. Eigentlich ein übler Gedanke, aber natürlich ist es schon auch ein grossartiges Gefühl, wenn man vor gefüllten Rängen spielen kann. Oder in Deutschland, wie ich dies ja auch schon öfter tun durfte.
 
frachtwerk: Fühlt es sich anders an, im Ausland zu spielen als in der Schweiz?
 
Leila: Auf jeden Fall. Ein Moment, an den ich mich gerne zurückerinnere, ist jener, als auf der Fusion in Deutschland die Anlage beim letzten Zugabe-Song komplett ausgestiegen ist. Es war heiss und wir waren körperlich echt durch. Und dann hat die ganze Menge begonnen, meinen Song zu singen. Das war ein Gänsehaut-Moment. Denn: «What the fuck», ich spiele 800 Kilometer von zuhause entfernt und die Menschen kennen meine Musik. Unvergesslich, sowas.
 
frachtwerk: Danke für deine Zeit.

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