Es war das Jahr 1971. In der sonst so ruhigen Gemeinde Bischofszell spazierten plötzlich hunderte Menschen umher mit ungewöhnlichen Frisuren, runden Sonnenbrillen und legerer Kleidung umher. Ein Zufall? Natürlich nicht. Sie alle wollten als erste Open Air Bischofszell. Ein richtiges Hippe-Festival. Bereits am allerersten Festival spielte die legendäre Schweizer Rockband Krokodil - das durfte man einfach nicht verpassen. Die Bühnen waren aus einfachen Holzbrettern zusammengeschraubt, es gab kaum Vorschriften - dafür richtig viel Rebellion.

Heute, über 50 Jahre später, gibt es zwar eine massiv professionellere Infrastruktur - das Rebellenherz und die Leidenschaft sind geblieben. "Das Open Air Bischofszell gehört zu meinem Leben", sagt Nadine Keller. Ihr Vater ist seit 30 Jahren im Verein. Ihr erstes Festival erlebte sie vor 24 Jahren - im Bauch ihrer Mutter. Das Gelände war wie ihr vergrössertes Kinderzimmer. "Ich bin mit diesem Open Air aufgewachsen", sagt sie. "Es hatte immer viele Kinder am Festival. Wir haben immer Glasflaschen aufgesammelt, weil es pro Flasche 50 Rappen Pfand gab. Eine Tradition die die Kinder am Festival bis heute beibehalten haben", erzählt sie und lacht. "Es sind schöne Erinnerungen. Die Zeit am Open Air war immer unbeschwert. Und das ist noch immer so."

Mit 15 wurde sie offizielles Vereinsmitglied und kümmerte sich um's Marketing. Heute ist sie Präsidentin und ist mit vollem Herzblut im Einsatz. "Ich habe in den vielen Jahren so vieles mitbekommen und immer überall mit angepackt. Ich freue mich sehr, dass ich jetzt gemeinsam mit de Verein dieses Open Air organisieren darf."

Von Teenagern bis zu den Senioren

Im Verein engagieren sich rund 50 Menschen. Auch dank der erst 24-jährigen Präsidentin finden sich immer wieder neue, junge Personen, die mithelfen. Dennoch ist die Vereinstreue auch bei den älteren Semestern stets vorhanden geblieben. "Unser ältestes Vereinsmitglied ist über 70 Jahre alt", verrät Nadine Keller. Genau das sei das Erfolgsgeheimnis des Open Airs, ist sie sich sicher. Die Erfahrung der älteren Menschen vermische sich mit den frischen und kreativen Ideen der Jugend. "Wir entwickeln dieses Festival Jahr für Jahr weiter, ohne den Charme und die familiäre Atmosphäre dafür zu opfern." Das Festival solle sich nämlich nicht vergrössern, betont die Präsidentin. Es solle weiterhin unabhängig und unkommerziell bleiben.

Im Wandel der Zeit

In den letzten 50 Jahren hat sich viel verändert. Die Sicherheitsvorschriften sind - wie erwähnt - deutlich strenger geworden. Auch die Besucher:innen-Zahlen haben sich vervielfacht. Und nicht zuletzt: die Kosten. "Die Gagen für die Bands und Künstler:innen, aber auch die Ausgbaben für Technik und SIcherheit sind nicht mehr mit früher zu vergleichen", so die Präsidentin. "Alles ist im Wandel. Ich bin stolz darauf, wie der Verein es schafft, diesen Wandel seit so vielen Jahren mitzumachen. Es schossen einige Festivals in der Schweiz aus dem Boden in den 70er und 80er Jahren - viele sind wieder verschwunden." 

In den vielen Jahren, in denen Nadine Keller am Open Air Bischofszell dabei war, gab es viele unvergessliche Momente. Einer ihrer schönsten Momente war, als das Fesitval nach zweijähriger Corona-Pause wieder durchgeführt werden konnte. Beim ersten Soundcheck schossen ihr die Tränen in die Augen. "Ich war so glücklich, dass wir wieder starten dürfen." 

Und jetzt? Jetzt folgt das 50-Jahr-Jubiläum. Dafür gibt's eine Extra-Taskforce, damit das ein noch unvergesslicheres Festival wird. "Ich bin mega stolz, dass wir China und Dodo als Hauptact gewinnen konnten", so Keller. Auch sonst lässt sich das abwechslungsreiche Line-Up durchaus sehen. Und das wahre Highlight: Die Band Krokodil, die damals am allerersten Open Air Bischofszell aufgetreten ist, steht dieses Jahr auf der Bühne. Schöner könnte man es nicht feiern, dass alte Traditionen, ungezähmte Leidenschaft und Liebe zur Musik alles überdauern können.