Dauerhafter Stromausfall, ein eigenwilliger Drucker, ein im Umbau festgestecktes Gemeindehaus und ein Gemeinderat, der sich mit sinnlosen Briefings brieft. Inmitten dieser aussichtslosen Krise tüfteln die Finanzdirektorin und eine Marketingexpertin eine radikale Strategie aus, die den Anschein von Rettung für die Gemeinde und ihre Bürger:innen erweckt: Umstrukturierung, Privatisierung, Outsourcing! Aber wer dem verführerischen Versprechen des freien Marktes keinen Glauben schenkt, muss selber dran glauben…
Dynamik, Statik und Kritik im moralischen Widerstreit
Das karge Bühnengerüst von Jules Claude Gisler manifestiert die statische Misere, in welcher sich die Figuren wehrhaft zurechtfinden müssen, und die das Publikum bereits im inszenierten Foyer konfrontiert. Geschickt belebt Regisseur Damiàn Dlaboha diese materielle Statik durch abrupte Black-outs, die als aberwitzige Elemente in die Handlung eingebettet sind und die Figuren zwingen, ihre Facetten gegenseitig zu beleuchten. Diese parodistische Dynamik wiederkehrender und sich steigernder Handlungsmuster wird durch die kommentierende Musik von Christov Rolla verstärkt. So ermöglicht die Inszenierung immer wieder befreiendes Lachen inmitten der bedrückenden Absurdität.
In der Bühnenkomposition erlangt die literarische Grundlage, für die sich Béla Rothenbühler verantwortlich zeichnet, die deutlichste Präsenz. Die sprachliche Unmittelbarkeit wird der dringlichen Aktualität des thematisierten Söldnerwesens gerecht und erinnert aufgrund des scharfsinnigen Sprachwitzes und der grotesk-komischen Ummantelung der tragischen Realität an Dürrenmatts Werk. Die Problematisierung der Renditengier, die mit Leben und Tod spekuliert, lässt ausserdem die brechtschen Züge der Mutter Courage erkennen.
«Ich bin demokratisch gewählt, ich kann nicht einfach so wegrationalisiert werden!»
Der zunehmende Ausverkauf des Gemeinwesens an private Sub-, Sub-Sub- und Sub-Sub-Sub-Unternehmen nimmt skurrile Züge an, die kapitalistische, moralische und demokratiepolitische Fragen verhandeln und das lockere Lachen einfrieren lassen. Die alltägliche Verantwortung für sich und die Gemeinschaft an Private outzusourcen, scheint das neue, sorgenlose Leben zu versprechen. «Der Markt machte das Licht» wird die radikalliberale Wirtschaft hochbeschworen, die die Angestellten in der Privatwirtschaft einlullt, bis sie als willenlose Marionetten des Profits über Grenzen treten.
Nicht nur das Spiel des Ensembles der Luzerner Spielleute enthüllt das wahrhaftige Unternehmen der neuen Gemeindestrategie, auch die Heraldik der Kostüme und Bühnenelemente bettet die Produktion in brandaktuelles Weltgeschehen ein und offenbart den dreifachen Boden des Titels «Sold Out». Gerade weil die Produktion reale Krisen und ihre ungeheuerlichen Konsequenzen anspricht, ist «Sold Out» auf der Bühne des Theater Pavillons alles andere als unerwünscht!
«Sold Out» wird noch am FR 01. 11., SO 03. 11., DI 05. 11., DO 07. 11., FR 08. 11. und SA 09. 11. im Theater Pavillon Luzern aufgeführt. Der Titel sagt nichts über die Verfügbarkeit der Tickets aus. Informationen und Reservation unter: spielleute.ch