Es ist Mitte Oktober und wir machen uns auf zur Vorpremiere des Films «TYPISCH EMIL» im Bourbaki. Schon davor wissen wir, dass beide Vorstellungen ausverkauft sind. Und wir wissen auch, dass wir nur ein paar Tage später mit dem Luzerner Regisseur Phil Meyer ein Rendez-vous zum Gespräch haben. Dementsprechend gross ist die Erwartungshaltung um den grossen Luzerner und den berühmtesten Schweizer Kabarettisten.
Für alle, die sich jetzt fragen, wer dieser Emil eigentlich ist und warum es einen Dokumentarfilm über den mittlerweile 90-Jährigen aus Luzern gibt: hier eine kleine E(mil)xkursion. Steinberger, den alle Welt nur Emil nennt, verschmilzt im Laufe seiner Karriere mit dem Bühnen-Emil, einem Normalo. Er ist der Typ von nebenan. Ein Jedermann. Als Teenager probt er erste eigene Sketche, lebt erst ein bürgerliches Leben als Postbeamter, landet dann an der Kunsti und wird schliesslich Grafiker.
Ein Leben beim Amt hätte er als verschwendet empfunden. In den 1950er Jahren war es ein gewagter Schritt, sich beruflich neu zu orientieren. Doch er schafft nicht nur das: Mit seinen Soloprogrammen als Kabarettist schafft er es, auf verschiedenen Theaterbühnen die gesamte Schweiz zum Lachen zu bringen. Schliesslich gründet er das Kleintheater, macht in den 1970er und 80er Jahren grosse Karriere im deutschsprachigen Raum und kehrt der Bühne 1987 schliesslich den Rücken. Zumindest vorerst. Es folgen Werbefilme, Kinoproduktionen und vieles mehr. Emil Steinberger hat so viel erreicht, dass es einen würdigen Film für so eine facettenreiche Laufbahn braucht.
Bescheiden trotz zahlreicher Preise
Der Dok-Film über Emil Steinberger dauert zwei Stunden. Hätten es nicht auch 90 Minuten getan? «Niemals, nei, nei! Wir hatten so viel Material, die zwei Stunden mussten sein», antwortet Regisseur Phil Meyer, als wir ihn mit seiner Hündin Lana im Parterre in Luzern treffen. Niemand habe sich bisher über die Länge des Films beklagt. Im Gegenteil: Schon die Premiere beim ZFF verlief «huere geil! Der Film wurde als sehr persönlich wahrgenommen und hat viel positive Resonanz erhalten», sagt der Filmemacher mit stolzem Haupt. Und nebenbei gab es für Herrn Steinberger einen Lifetime Achievement Award.
Überhaupt hat Emil mehr Preise gewonnen, als der Monat Februar Tage hat. Da sind alle erdenklichen Kabarett- und Ehrenpreise dabei. Auf die Frage, ob es denn in Lozärn mal einen Emil-Steinberger-Platz oder -Strasse geben wird, antwortet Phil nur schmunzelnd: «Vorstellen kann ich mir das schon. Aber ihm wäre das total egal. Er würde sich daraus nichts machen. Dafür ist er einfach zu bescheiden.»
Ein Jahr lang gratis gearbeitet
Gemeinsam mit Emil, seiner Frau Niccel (eigentlich Nicole Kristuf) und Kameramann Elmar machte sich Phil Meyer vor über einem Jahr daran, Archiv-Material zu sichten. Schnell war klar, dass daraus ein wunderbarer Dok-Film mit persönlicher Note entstehen wird. Das beteuert Phil mehrfach: «Es war ein gemeinsames, persönliches Projekt. Es ging mir nie darum, dass der Herr Meyer einen Film über den Herrn Steinberger dreht. Die Idee war, dass ein gemeinsames Werk entsteht.» Und das ist ihnen gelungen.
Das alles wirft natürlich die Frage auf, wie das alles finanziert wurde. Vor allem bei der Länge. Denn zwei Stunden für einen Dok-Film sind lang. Da gibt mir der Luzerner Regisseur Recht, der nebenbei einem Randständigen etwas (wohl zweistellige Summe – der Reaktion nach) twintet, der unser Gespräch kurz unterbrach. Also: Wie ist die Kiste finanziert worden?
«Tatsächlich haben Elmar und ich ein Jahr lang gratis gearbeitet, bis es solche Dimensionen annahm, dass wir Financiers brauchten. Und das ist bei Schweizer Film-Förderfonds eine richtig harte Nuss. Die hätten uns eine solche Länge nie erlaubt, vertraglich wären auch jederzeit alle Beteiligten kündbar. Also entschieden wir uns für den privaten Weg. Der lief über Mäzen:innen.»
«Aha», erwidere ich: «kenne ich eher aus der bildenden Kunst oder so als Gönner von Kultureinrichtungen.» «Ja, aber gemeinsam mit Co-Produzent Simon End haben wir genügend Geld auftreiben können, um das Ding zu realisieren.»
Rund ein Drittel des Films sind Archivmaterialien aus den Händen Niccels: alte SRF- und diverse andere Fernseh- und Live-Aufnahmen. Da kann man tatsächlich einen starken Beitrag mit den aktuellen Aufnahmen entstehen lassen. Das merkt man sichtlich, insbesondere bei dem Öl-Malkurs in Hamburg, den sich der fitte Kabarettist zum 90. Geburtstag schenken liess. Aber auch bei den New-York-Aufnahmen. Ein strahlendes Pärchen auf der Terrasse eines Restaurants in SoHo, im Regen. Aber man nimmt es mit Humor. Was sollte man auch von einem Komiker anderes erwarten?
Keine Anerkennung aus dem Elternhaus
«In New York war er wirklich ein anderer Emil als der, den wir davor kennenlernen durften. Wahnsinn, was er für eine Beobachtungsgabe hat.» Die Faszination ist Phil Meyer anzusehen. Im Film geht es überwiegend um die Karriere des Wahl-Baslers. Die zweite Ehe und Hochzeit werden mehr als (und gut) beleuchtet, genauso wie der Aspekt, dass Emil nie die Anerkennung aus dem Elternhaus für seine Arbeit erhalten hat. Die Kinder aus erster Ehe werden hingegen nur im Abspann erwähnt. «Ja, das war ein Hin und Her. Wir haben uns gemeinsam so entschieden. Mir war aber wichtig, dass die Kinder, wie auch die bereits verstorbene erste Frau, erwähnt werden. Das ging von mir aus», sagt Phil ganz diplomatisch.
Eine intensive Zusammenarbeit, bei der ich das Gefühl nicht loswerde, dass der Regisseur hier wirklich was fürs Leben und die Erweiterung seiner Horizonte gelernt hat. Es sei ihm gegönnt. «TYPISCH EMIL» läuft ab dem 7. November im deutschsprachigen Schweizer Raum. Vorführungen in der Romandie und im Tessin folgen. Am Tag des Interviews war noch nicht klar, ob es einen Verleih in Deutschland oder Österreich geben wird. Phil glaubt aber sehr daran und wir wollen es unserem wohl «Most famous Comedian» und der ganzen Crew nur wünschen.
Der Film «TYPISCH EMIL» läuft ab dem 7. November in Deutschschweizer Kinos.