Vom Fanatismus zum Feminismus: Wie Hexen zum Symbol des Widerstandes wurden

Hexen – Figuren des Schreckens und der Faszination. Besonders in der frühen Neuzeit wurden sie zur Projektionsfläche für die Ängste einer von Aberglauben und patriarchalen Strukturen geprägten Gesellschaft. Unzählige Frauen fielen den Hexenverfolgungen zum Opfer. Diese dunkle Geschichte prägte auch die Kunst. Die Werke von Hans Baldung Grien, der die Ambivalenz zwischen Faszination und Abscheu darstellte, bieten heute Raum zur neuen Interpretation.

Autor:in:
Fabienne Troxler

Die Hexenverfolgungen erreichten ihren Höhepunkt im 16. und 17. Jahrhundert. In dieser Zeit wurden etwa 40.000 bis 60.000 Menschen, vor allem Frauen, als Hexen verfolgt, gefoltert und verbrannt. Die Angst vor weiblicher Macht und Autonomie spielte dabei eine zentrale Rolle, welche von religiösem Fanatismus und sozialer Unsicherheit angetrieben wurden. Diese Verfolgungen waren nicht nur religiös motiviert, sondern dienten auch der Kontrolle über die Gesellschaft. Frauen, die nicht den gesellschaftlichen Normen entsprachen, wurden als Bedrohung empfunden und brutal bestraft.

Die Kunst von Hans Baldung Grien: Zwischen Faszination und Abscheu

Baldung gilt als einer der bedeutendsten Künstler der deutschen Renaissance. Besonders seine Hexendarstellungen wie „Zwei Hexen“ (1523) oder der „Hexensabbat“ (um 1510) zeigen seine Auseinandersetzung mit dem Thema. Die Hexen in seinen Werken sind meistens nackt, was die damaligen Vorstellungen von weiblicher Sexualität und ihrer vermeintlichen Verbindung zum Teufel widerspiegelt. Seine Darstellungen sind ambivalent: Die Hexen erscheinen sowohl als bedrohliche Wesen als auch als mächtige, eigenständige Frauen, die sich den patriarchalen Normen entziehen.

In „Zwei Hexen“ sehen wir zwei junge Frauen, die sinnlich und zugleich bedrohlich wirken. Diese Ambivalenz lässt Raum für Interpretationen: Sind sie wirklich das personifizierte Böse, oder Opfer einer misogynen Gesellschaft?

Hexen als Symbol des Widerstandes

Die Figur der Hexe hat im Laufe der Jahrhunderte eine bemerkenswerte Wandlung erfahren. Vom Symbol des Bösen wurde sie in der Moderne zum Zeichen des Widerstands und der weiblichen Selbstbestimmung. In der zweiten Welle des Feminismus der 1960er und1970er Jahre griffen Frauenbewegungen das Bild der Hexe auf, um gegen patriarchale Strukturen zu protestieren. Die Hexe wurde zum Symbol der Rebellion gegen Unterdrückung.

Baldungs Werke im modernen Kontext

Baldungs Werke, die einst Ausdruck der Furcht vor weiblicher Macht waren, lassen sich heute auch im Kontext des Feminismus neu interpretieren. Seine Hexen seien stark, unabhängig und in ihrer Sexualität nicht zu kontrollieren – Merkmale, die in der feministischen Interpretation der Hexe eine zentrale Rolle spielen.

Die Figur der Hexe hat sich vom Symbol des Bösen zur Ikone des Widerstands entwickelt. Hans Baldung Grien schuf Bilder, die die Ängste seiner Zeit widerspiegeln und gleichzeitig die Faszination für das Unbekannte ausdrücken. Heute steht die Hexe für Selbstermächtigung und Widerstand, und ihre Darstellung in der Kunst regt zum Nachdenken über die tief verwurzelten patriarchalen Strukturen an.

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