Ridley Scott schuf mit dem 1979 erschienenen originalen Film «Alien» eine wahre Ikone des modernen Horror-Genres. Um das titelgebende, von HR Giger entworfene, «unheimliche Wesen aus einer fremden Welt», entstand eine mittlerweile neun Filme umfassende Reihe aus Sequels und Prequels. In beklemmenden Gängen düsterer Raumstationen macht die biomechanisch anmutende Kreatur wieder und wieder unerbittlich Jagd auf die verzweifelten menschlichen Besatzungsmitglieder, um diese für ihren parasitären Fortpflanzungszyklus zu missbrauchen. Noch immer, über dreissig Jahre nach dem Erscheinen des originalen «Alien», vermag mich das einzigartige Design dieser Kreatur zu gruseln. Es ist ein Wesen, wie man es noch nie zuvor gesehen hat. Ein Wesen, welches zutiefst fremd erscheint, aber doch menschliche Urängste anspricht.
Mit Fede Álvarezs «Alien: Romulus» erscheint nun eine weitere Addition zur Weltraumhorror-Saga. Die junge Minenarbeiterin, Rain, führt ein hartes Leben weit entfernt von der Erde in einer Bergbau-Kolonie des mächtigen Weyland-Yutani-Konzerns. Es ist ein Ort erdrückender Kontrolle, ein düsterer Ort, an welchem die Sonne nie zu sehen ist. Rains einziges verbliebenes Familienmitglied ist der Androide Andy, welchen sie als ihren Bruder bezeichnet. Durch eine plötzliche Erhöhung der Arbeitsquoten rücken Rains Hoffnungen, die Kolonie endlich verlassen zu dürfen, allerdings erneut in weite Ferne. Doch eine verlassene Raumstation des Konzerns wird zu ihrer einmaligen Chance zur Flucht. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit, in dem sich alle Beteiligten entscheiden müssen, wie sie handeln wollen und welche moralischen Prinzipien sie bereit sind aufzugeben, um zu überleben.
Kopie oder Hommage
«Alien: Romulus» reiht sich ein in eine scheinbar endlose Masse an Prequels, Sequels, Remakes und Reboots, welche zurzeit in Hollywood produziert werden und welche, mit einer gehörigen Portion Nostalgie, Zuschauer:innen in die Kinos zu locken versuchen. Alter Stoff wird erneuert und erneuert, längst Totgeglaubtes in Zyklen reanimiert. Dies kann durchaus seinen Reiz haben, denn so können liebgewonnene Charaktere und Welten wieder besucht, noch offene Fragen geklärt, Themen und Geschichten weitergesponnen und noch unerforschte Handlungsstränge vervollständigt werden. Die Idee, bestehende Geschichten zu erweitern, kann funktionieren, aber auch nur, wenn es tatsächlich noch Geschichten zu erzählen gibt. Allzu oft lassen sich allerdings hinter der Erneuerung alter Stoffe vor allem finanzielle Absichten vermuten. So schaffen es viele Fortsetzungen nicht, mehr als eine blasse Kopie des Originals zu sein. Ohne eigene Identität, ohne Narrative oder zentrale Themen zu erweitern. Ohne Innovationen in der Struktur hervorzubringen.
Dennoch, es lässt sich nicht leugnen, hat auch bei mir der gute alte Nostalgie-Trick funktioniert. Entgegen der nüchternen Erwartung, dass der neunte Teil der Alien-Reihe qualitativ vermutlich kaum an das Original heranreichen würde, hat mich die stille Hoffnung auf das Gegenteil nun doch dazu verleitet, mir den Film anzusehen.
Stärke in der Verletzlichkeit
Rain und der Androide Andy fungieren als eine Art Antithese zur emotionslosen Kälte und Grausamkeit, welche in der von Weyland-Yutani geschaffenen Welt vorherrschen. In ihrer gegenseitigen Fürsorge entziehen sich beide den Ansichten und Werten des Konzerns, welcher alle Bereiche ihres Lebens verwaltet. Rains grösste Stärken sind, entgegen den Annahmen des Konzerns, ihre Empathie und Menschlichkeit, welche ihr Mut und Kraft geben, sich grössten Gefahren zu stellen und sich für andere einzusetzen. Die gegenseitige Fürsorge und das Mitgefühl gehen bei Rain und Andy über gesellschaftliche, klassen- und speziesbezogene Grenzen hinaus. Beide verstehen sich als Geschwister und entscheiden sich immer wieder dafür, zueinander zu stehen.
Konzerne als wahre Monster
Die neuste Installation in der Alien-Reihe vermag es, an die wichtigsten zentralen Themen des Originals anzuknüpfen. Im Kern liegt eine tiefgreifende Kritik an ausbeuterischen Strukturen eines unregulierten Kapitalismus, wobei nicht klar ist, wer am Ende das schrecklichere Monster ist: das Alien oder der skrupellose Weyland-Yutani-Konzern.
Das Alien, ein Wesen, welches absolut empathielos ist und im Kern zerstören muss, um sich selbst zu reproduzieren, wird vom Konzern mehrfach als «der perfekte Organismus» bezeichnet. Der Konzern ist eine ungebremste kapitalistische Maschinerie, welche sich wie das Alien durch menschliche Leben frisst, sich parasitisch daran nährt, sich selbst so erneuert und an der Macht hält. Beide spiegeln einander wider und sehen in anderen Lebewesen bloss ein Mittel zum Zweck, ganz egal, wie viel Zerstörung sie damit auch anrichten. So wird im Verlauf des Films bekannt, dass der Konzern daran geforscht hat, mithilfe eines aus der Alien-Spezies gewonnenen Mutagens die genetische Komposition der menschlichen DNA so zu verändern, um diese ähnlich unverwundbar wie der «perfekte Organismus», zu machen. Somit sollen neuartige Menschen erschaffen werden, welche noch besser für die harten Bedingungen weiterer Kolonialisierungsprojekte des Konzerns geeignet wären. Diese Substanz verändert jegliche Lebewesen jedoch bis zur Unkenntlichkeit und nimmt ihnen ihre innerste Essenz, das, was sie ausmacht, und verwandelt sie in eine pervertierte Form ihrer Selbst.
Weniger Fanservice, mehr Mut
Trotz der gelungenen Grundthemen, welche sich bereits im ersten Teil der Reihe zeigten, vermag «Alien: Romulus» nicht an den Horror des Originals anzuknüpfen. So kommt niemals die gleiche Intensität an Beklemmung oder Angst auf, welche den ersten Alien-Teil zur Ikone machten. Der Film wird eher zu einem Action- als zu einem Horrorfilm. Die Monster sind bereits bekannt, sie treten früh aus dem Schatten und sind sogleich sichtbar und vollkommen wahrnehmbar, was ihnen ihren Schrecken raubt. Wie leider allzu viele Fortsetzungen driftet der Film auch hier in der zweiten Hälfte mehr in reinen Fanservice ab, als noch kreativ oder innovativ zu sein. So werden beispielsweise gegen Ende vorwiegend bekannte Momente des Originals zitiert. Schon gesehene Bilder werden reinszeniert und mit aktueller Technik neuverpackt. «Alien: Romulus» traut sich zu wenig, obwohl mit der komplizierten Geschwisterbeziehung der Hauptcharaktere und den durchaus relevanten, kritischen Unterthemen eine solide Basis für eine Weiterentwicklung der Reihe gelegt worden wäre. Denn insbesondere die Beziehung zwischen Rain und Andy verleiht dem Film das Potenzial, etwas Einzigartiges, Neuartiges zu schaffen, welches ihn vom Original noch deutlicher hätte abheben können.
Als Fazit lässt sich sagen: «Alien: Romulus» kann den originalen «Alien» als Horror-Ikone nicht schlagen. Die Themen bezüglich der Kapitalismuskritik, der unersättlichen, menschenverachtenden Gier des Konzerns sowie die gegenseitige Spiegelung von Alien und Weyland-Yutani ziehen sich aber in gelungenem Masse auch durch diese neusten neusten Film der Reihe. Wie viele Prequels und Sequels leidet aber auch «Alien: Romulus» an den altbekannten Schwächen vorhergegangener Fortsetzung und entscheidet sich gegen Ende zu oft für eine Repetition, eine Reanimation des bereits Gesehenen. Es ist eine Art Renovation, welche sich trotz vorhandener Stärken und Potenzial letzten Endes für Sicherheit anstelle von Innovation entscheidet. Ob dies nun dem finanziellen Druck geschuldet war oder aus der Sorge heraus geschah, die Erwartungen der Fans nicht zu erfüllen, lässt sich letztlich nur schwer sagen. «Alien: Romulus» ist sicherlich eine gelungene Hommage an den Ursprungsfilm der Reihe, aber auch ein Film, der noch mehr hätte sein können, wenn er sich nur getraut hätte.