Will ich diese Welt noch erben?

«Die Welt ist aus den Fugen» hat mal einer gesagt. Krisen jagen einander, alles brennt immer, es gibt keine Verschnaufpausen. In dieser Welt wird die Gen Z erwachsen. Es ist die Generation, die bald Entscheidungen treffen muss. Ich gehöre zur Gen Z und ich habe keine Ahnung, ob ich diese Shitshow überhaupt übernehmen will.

Autor:in:
Noah Sigrist
Titelbild:
KC Green
Hinweise:

Der Klimarat geht davon aus, dass bereits 2030 die kritische 1,5-Grad-Grenze überschritten wird. In diesem Moment wütet innerhalb und an den Grenzen Europas ein Krieg, der kein Ende in Sicht hat. Gleichzeitig werden in Gaza Massaker an Zivilist:innen verübt, im Namen der Terrorbekämpfung. Wohneigentum ist für die meisten eine Utopie, Inflation macht das Leben teurer als ich es mir leisten kann. Häufig scheinen unsere Zukunftsperspektiven alles andere als rosig. Ganz ehrlich gesagt, habe ich wenig Bock aufzuwachsen und diese Welt zu übernehmen. So geht es wohl vielen in der Gen Z.

Vorab: Zur Generation Z gehören laut Bundesamt für Statistik alle, die zwischen 1997 und 2010 geboren wurden. Das letzte Drittel dieser Generation ist gerade auf dem Weg in den Arbeitsmarkt. So fest es Tageszeitungen und andere Medien auch versuchen, die Forschung zeigt kein homogenes Bild der Gen Z. Studien zeichnen uneinheitliche Bilder, der Begriff Gen Z ist also mit Vorsicht zu geniessen. Auch ich gehöre zu dieser Gruppe (no shit, Sherlock). Wir werden gerade – wohl oder übel – erwachsen und beginnen, Verantwortung für die Gesellschaft zu tragen. Deshalb die Frage; welche Welt erbt die Gen Z? Und ist sie schlechter als die unserer Eltern?

We didn’t start the fire, it’s been always burning, since the world was turning

Billy Joel singt in «We didn’t start the fire» von einer Welt, die in einem konstanten Chaos zu existieren scheint. So gesehen ist die Weltgeschichte eine Aneinanderreihung von Krisen, Missständen und Tragödien. Jede Generation scheint eine Welt zu erben, die wortwörtlich gerade den Bach runter geht. Dafür müssen wir nicht weit zurückblicken: Allein im 20. Jahrhundert gab es zwei Weltkriege, noch vor Halbzeit. In den 1960er gab es die Kubakrise, in den 1970er die Ölkrise, in den 1980er finanzielle Unruhen und Reagans «say not to drugs». Im Hintergrund immer der Kalte Krieg, mit der Angst auf nukleare Zerstörung. Der Klimawandel wurde nur dann beachtet, wenn wirklich nichts anderes los war.

Trotzdem wurden in den letzten Jahrzehnten unglaubliche Fortschritte in Technologie, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur gemacht. Die globale Lebenserwartung steigt, Armut und Hunger nehmen ab. Objektiv geht es uns besser als noch vor 100 Jahren.  Der «human development index» der UN [1], ein Modell das Entwicklung unter anderem nach Lebensstandards, Lebenserwartung und Bildung misst, steigt seit 1990 konstant (auch wenn dieses Wachstum in den letzten Jahren deutlich abgeflacht ist). Wieso also machen sich junge Menschen Sorgen um die Zukunft?

Paradox der Zukunft

Meine Antwort: Weil es sich nicht so anfühlt, als könnte es noch lange so weitergehen. Der Gedanke, dass es schon immer chaotisch und unsicher auf der Welt war, gibt wenig Hoffnung in einer Zeit, in der es keine Pausen gibt. Grosse, scheinbar unlösbare Probleme haben sich in den Jahren seit meiner Geburt gehäuft, wie selten zuvor. Seit ich auf der Welt bin, gab es immer Krieg in Westasien, eine Handvoll Wirtschaftskrisen, steigende soziale und ökonomische Ungerechtigkeit, Faschismus wird wieder Salonfähig, Überwachung im Internet und irl ist Norm, Kommerzialisierung in jedem Aspekt des Lebens, spürbare Folgen des Klimawandel, eine globale Pandemie. Und scheinbar müssen wir auch eine Lösung für AI finden. Häufig wird von einer Dauerkrise gesprochen, von einer nie gesehenen Last an Problemen, die auf den Schultern der Gen Z lastet.

Daraus entspringt ein paradoxes Weltbild. Ich weiss, dass die Menschheit noch nie weiterentwickelt, das Leben für mich noch nie besser gewesen wäre als es jetzt ist. Mein Los ist ein privilegiertes. Trotzdem wird die Welt vor meinen Augen schlechter. Dieser Pessimismus hat wohl auch schon die Millennials begleitet, vor ihnen die Gen X, eigentlich jeder Generation seit den Boomern. Vielleicht liegt ja auch in diesem hoffnungslosen Kreislauf die Tragödie unserer Gesellschaft. Viel Trost leistet dieser Gedanke aber nicht, denn die Extremzustände die Gen Z erlebt, stellen alle bisherigen in den Schatten. Innovation macht die Situation nicht immer besser, im Gegenteil.

Meine kleine, komplexe Welt

Für die Gen Z, die zum Grossteil mit Smartphones und dem Internet aufgewachsen ist, ist die Dauerberieselung von Informationen durch Medien, YouTube, TikTok und Co. selbstverständlich. Doch die Vernetzung der Welt hat sie auch kleiner gemacht. Plötzlich sind Ereignisse, die auf der anderen Seite des Planten passieren in meinem News-Feed. Mich erreichen also Katastrophen, die für meinen Alltag auf den ersten Blick keine Relevanz haben.Trotzdem beschäftigen sie mich, prägen meine Weltanschauung. Auch, weil nun alles verständlicher wird, wird es somit auch schwieriger. Im Verständnis dieser Themen und ihrer Verstrickungen wartet die grosse Überforderung.

Denn die wenigsten grossen Probleme unserer Zeit sind in sich selbst abgeschlossen. Klima, Wirtschaft, Migration, Bildung, Gleichberechtigung– sie greifen alle ineinander (Stichwort Intersektionalität). Der Philosoph Timothy Morton nennt Themen wie Klimawandel oder Kapitalismus «Hyperobjekte». Themen so gross, dass sie unsere Wahrnehmung überfordern und nie in ihrem vollen Umfang verstanden werden können. Durch die Vernetzung der Welt werden die Hyperobjekte immer sichtbarer. Und es ist verlockend einfach den Kopf in den Sand zu stecken oder dem Fatalismus zu zerfallen.

Nichts ist neu, aber alles ist extremer

Mein Geographielehrer in der Sek hat gesagt «ihr seid wohl die Ersten, die wirklich etwas machen müssen», gemeint hat der den Klimawandel. Unter diesen Umständen wächst die Gen Z auf. Alles brennt. Immer. Ich habe keine eleganten Worte, die alles erklären. Dazu habe ich zu wenig Zeit, dafür verstehe ich Welt dann doch nicht genug.

Wie jede Generation vor uns wissen wir, dass wir nicht schuld sind an der Welt, in die wir hineinwachsen, es aber unsere Aufgabe ist so viele Probleme wie möglich davon zu lösen. Auch wenn wir uns von denen, die dafür verantwortlich sind allein gelassen und belächelt fühlen. Auch wenn es scheinbar unglaublich düster aussieht, zeitweise. Wenn die vor uns der Challenge gewachsen waren, haben wir keine andere Wahl als es auch zu sein. Sonst wird das nichts mit dieser ganzen Menschheit und so. Wenn Gen Z etwas kann, dann ist es leben, wenn rundherum alles brennt.

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